Dr. Albert Pressler´s Therapiesitzungen (1)

Immer wieder wenden sich Rockabilly-Musiker*innen hilfesuchend an mich. Zuletzt scheint dies häufiger der Fall zu sein.

(Foto: bbc.co.uk)

1.Sitzung.

Wir stehen als Musikerschaffende im Moment an einem Scheideweg. Digitale Technik und Pandemie-Bekämpfungsmassnahmen scheinen all das, was am Musikmachen Freude bereitet hat, nämlich die Resonanz zwischen Musiker*innen sowie zwischen diesen und dem Publikum, zu verdrängen und zu zerstören.

Doch – um ehrlich zu sein – schon lange vor Corona erlebten Musiker und Musikerinnen dieser Stadt, und für jene die einer „Special interest“-Strömung anhängen wie dem Rockabilly gilt das um zu mehr, dass es immer schwieriger wird die eigene Musik unter interessiertes Publikum zu bringen. Geschweige dafür angemessen bezahlt und respektvoll behandelt zu werden. Besonders schwer fällt das naturgemäß Musiker*innen, die schon wesentlich bessere Zeiten erlebt hatten. Für die es nicht selbstverständlich ist, für Auftritte wenig oder gar nichts zu bekommen, wochenlang bei der neuentstanden Berufsgruppe der Eventmanager reinbraten zu müssen oder gar auf eines der vielen Schlaumeier-Konzepte von Pay-to-Play (wie es in manchen Lokalen praktiziert wird) einzusteigen. Die wissen wie es sich vor noch gar nicht so langer Zeit angefühlt hatte, wenn sich in vollen Sälen die Tanzpaare zur eigenen Musik drehen und die Live-Musik der eigentliche Anlass war, warum die Leute gekommen waren.

Technik verändert Musik – die 50er Jahre

Jeder technologische, soziale, politische und wirtschaftliche Wandel bringt auch Veränderungen in dem was gemeinhin Unterhaltungsmusik genannt wird. Das ist kein neues Phänomen. Schon in den 50ern ermöglichte z.B. die Verbreitung von Jukeboxen nahezu jedem Lokal- oder Drugstore-Besitzer Kundschaften mit Musik zu versorgen ohne dafür eine mehrköpfige Band bezahlen zu müssen. Das brachte für Berufsmusiker, die bis dahin in verschiedenen (Big-)Bands eine gewisse Anzahl an bezahlten Gigs spielen konnten große Schwierigkeiten mit sich. Zugleich boomte dadurch das Tonträger-Geschäft, und die Musikmachenden hatten nun die Möglichkeit auch über die Stadt- oder Staatsgrenze hinaus bekannt zu werden. Und damit eben doch Auftritte zu bekommen. Die Jugendlichen, nunmehr in der Lage das Produkt (Single) günstig käuflich zu erwerben wurden zur neuen Hauptzielgruppe.

Durch die kleineren Besetzungen der Bands, durch die Notwendigkeit die Wucht von Big-Bands mit wenigen Instrumenten kompensieren zu müssen, entwickelte sich Spieltechnik, Verstärkertechnik, Klangbearbeitung (Effekte) weiter… und damit wurde auch die Musik eine andere. Die Musik wurde einfacher gestrickt, die Musiker waren aber nicht zwangsläufig weniger gefordert oder gut.

Die Kulturindustrie hatte schon in den 50ern immer wieder gegen einen all zu hohen Anspruch im Massen-Musikgeschmack angekämpft, etwa in dem gesanglich unbegabte Teenie-Stars aus dem Kino oder dem aufstrebenden Medium Fernsehen auf Platten gebannt wurden. Begleitet wurden sie von den besten Studiomusikern und Backgroundsängerinnen die verzweifelt versucht haben die schiefen Töne zu überdecken. Ein Teenie-Star verkaufte eben viele Platten, egal wie schwachsinnig die Songs waren. Und er ist relativ leicht ersetzbar. Die guten und geübten Musiker*innen konnten sich auf Dauer aber meist durchsetzen und waren deshalb für die Kulturindustrie entsprechend unersetzlich.

Neben dem Mainstream – und das ist auch ein Unterschied zu heute – konnten sich Musiker*innen eigentlich bis weit in die 90er Jahre eine gewisse Existenzmöglichkeiten sichern, auch wenn ihr Musikstil gerade nicht die Charts anführte.

Was ist nun – abgesehen von Pandemie – passiert, dass wir heute da stehen, wo wir stehen?

Denken Sie darüber nach empfiehlt Ihr Dr. Albert Pressler, und: die Wahrheit ist schmerzhaft aber nur sie macht Platz für die Lösung.

(Albert)

(Auschnitt: Eis am Stiel)

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