
Ich kenne eine große Anzahl von wirklich guten Bands, die sich der Musik der 50er verschrieben haben, aber dann trotz der zweifellos vorhandenen Klasse der beteiligten Musiker nicht authentisch klingen. Ich habe mich gefragt, woran das liegen könnte und als Gitarrist bin ich natürlich vom Gitarrensound der 50er ausgegangen.
Als Realist weiß ich, dass nicht jeder heute fast unbezahlbare Originalinstrumente oder Verstärker dieser Epoche zu Hause oder im Proberaum herumstehen hat, deshalb habe ich versucht diesem Klang mit heute verfügbarem Equipment möglichst nahe zu kommen.

Bevor wir zur „hardware“ kommen, etwas Grundsätzliches zur Spielweise der großen Gitarristen wie Scotty Moore oder Cliff Gallup dieser Zeit. Es bringt nichts auf Originalinstrumenten Spieltechniken zu praktizieren, die es damals einfach noch nicht gab. Feedbackorgien oder Tappingtechniken mögen so manchen Zuhörer faszinieren, passen aber weder zu Gene Vincent, noch sind sie als authentisch zu bezeichnen. Auch Bendingtechniken wurden wenn überhaupt, dann äußerst sparsam eingesetzt, was wieder auch die Folge davon war, dass Bünde und Griffbrettradien der damals verwendeten Instrumente nicht mit heutigen Instrumenten vergleichbar waren. Doch mehr davon später.

Die heute so beliebten verzerrten Gitarren waren in den 50ies ein absolutes „no go“. Man bemühte sich möglichst clean zu spielen, was auf Grund der mäßigen Lautstärke auch auf den kleinen Verstärkern der Zeit möglich war, Marshall oder Mesa gab´s noch nicht. Paul Burlison, eigentlich der Erfinder der verzerrten Gitarre, kreirte diesen sound zufällig als er auf einem Verstärker mit kaputtem Lautsprecher spielte. Da dieser Klang dem aggressiven Rockabilly des Johnny Burnette Trio wie auf den Leib geschneidert war, wurde dieser damals neue Gitarrenklang beibehalten und später von Musikern wie Link Wray kultiviert.

Es kommt also sehr darauf an, ob man im Stil von Scotty Moore oder Cliff Gallup spielt oder eher den „Punkobilly“ des Johnny Burnette Trio bevorzugt. Beides hervorragende Beispiele eines klassischen Gitarrensounds.
Gutes Beispiel für die Vermischung dieser Stile ist Brian Setzer. Er spielt originale Galluplicks mit angezerrter Gitarre, die dann natürlich nicht authentisch klingen. Man verstehe mich nicht falsch: Brian Setzer ist ein fantastischer Gitarrist und eine Ikone. Aber er macht aus meiner Sicht eine am Rockabilly orientierte Rockmusik für eine breite Zielgruppe. Was wieder den großen Vorteil mit sich bringt, dass junge Menschen, die noch nie etwas von Gene Vincent gehört haben, durch Setzer vielleicht auf die Pioniere aufmerksam werden.

Stilistisch orientierten sich die Gitarristen in den 50ern hauptsächlich an Jazzmusikern wie Charlie Christian, Countryvirtuosen wie Jimmy Bryant oder Merle Travis, und natürlich an zahllosen Bluesmusikern. Die Rockabillygitarre der 50er war eine Mischung aus Country, Jazz und Bluesspieltechniken.

So aber jetzt zum Werkzeug eines 50er Gitarristen. Wie bereits erwähnt ist es illusorisch anzunehmen, jeder interessierte Musiker hätte ein Originalinstrument schnell zur Hand.
Gitarren waren in den 50ies andere Instrumente als heute. Die Hälse waren wesentlich stärker, manche Gitarristen sprechen von „Baseballschlägern“, die Saitenlage war höher und man spielte geschliffene Saiten (flatwounds). Die leichtesten Sätze entsprachen ungefähr heutigen 11er oder 12er Sätzen. Wenn du also authentisch klingen willst versuch es mit mindestens einem Satz geschliffener 11er Saiten. Die damaligen Bundstärken, Griffbrettbeschaffenheit und die Stärke des Gitarrenhalses lassen leicht erklären, warum nicht so viel gebendet wurde. Wenn du also auf einer B.C. Rich mit einem 08er Satz spielst, wundere dich nicht, dass es nicht authentisch klingt.
Meine favorisierte Gitarre wird immer eine Gretsch bleiben, aber auch auf einer Tele (speziell für Burlisonsounds) oder eine dicke Gibson (ES 295) sind für 50ies Gitarrensounds im Bereich Rockabilly bestens geeignet.

Als Verstärker ist für mich ein kleiner Röhrencombo die beste Wahl. Ich verwende gerne einen Fender 57 Tweed Deluxe und bin damit sehr zufrieden, aber auch andere kleine Röhrencombos sind bestens geeignet.
Davor gehört natürlich ein kurzes Slapbackecho. Glücklich, wer ein altes Echoplex besitzt, doch die Wenigsten werden eines ihr Eigen nennen können. Ich verwende gerne das Catalinbread Belle Epoque oder Boss RE 20 (Nachbildung des alten Roland). Jedes andere Echo oder Analogdelay (z.B. Way Huge Aquapuss) tut´s auch. Digitaldelays sind mir zu sauber, ich hab halt noch die alten Bandechos im Ohr.
So wichtig stilkompatibles Equipment für einen authentischen 50er Klang auch ist, es bleibt der Musiker, der es ausmacht, deshalb ist hören und transkribieren der „Altmeister“ für mich die Kernkompetenz zu einem authentischen Stil.
(Fritz Weiss)



Duane Eddy sagte in einem der vielen Interviews über den „Twang“ Sound der 50er: „Round Wound Saiten. Sie klingen härter beim Anschlag, klingen hohler und aggressiver.“ Auch ich habe festgestellt, daß geschliffene Saiten eher dumpfer klingen und sich wohl besser im Jazz zu Hause fühlen als im Rockabilly. Ich kann mich an meine ersten Gitarren in den 1960ern erinnern und bestätige, daß die Bünde oft höher waren und die Hälse dicker, aber an den Saitenlagen hatte man schon sehr früh gearbeitet und versucht, sie für flüssiges Spiel möglichst niedrig zu halten. Fender Teles und Strats hatten schon immer den fast gleichen Halsdurchmesser und waren damit überdurchschnittlich schlank, der Hals meiner Höfner war dicker, jedoch nicht wesentlich, aber der Hals meiner Hoyer war echt fett. Mein Vater hatte eine Tele, die schon in den 60ern mit „Fender Superlight“ Saiten bespannt war. Sie entsprachen den heutigen 10/46 Ernie Ball regular slinky round wound. Auf fetten geschliffenen Saiten hätten die Spotnicks, The Ventures, Duane Eddy oder Luther Perkins niemals spielen können. Der Chime und Twang kommt am Besten von 10er round wound Saiten. Und ja: die modernen Rockabilly Riffs und Licks sind nicht unbedingt historisch authentisch, beleben das Genre jedoch ungemein und halten das Genre nicht zuletzt auch deshalb am Leben. Ja. Damals waren viele Gitarren anders, aber manche haben sich bis heute gehalten. Die meisten Recordings der 50er wurden mit Teles, Les Pauls von Gibson oder Strats gemacht. Dann hört man Guilds mit den Dynasonic Pickups und wie z.B. bei Bill Haley and the Comets verschiedenste Gibsons. Gretsch Hollowbody Gitarren waren auch dabei, aber eher selten und mussten oft eher für Fotos herhalten, denn sie gespielt wurden. Eddie Cochran war neben Chet Atkins der wohl bekannteste „Gretscher“. In vielen Bands fand man auch Gretsch Duo Jets, die optisch an die Gibson Les Paul angelehnt waren, aber mit den HS Filtertrons den typischen Gretsch Sound erzeugten. Nicht zu vergessen die Gibson ES 335, 355, ES 175 oder die ES 125, die häufig zum Einsatz kamen und wirklich schön schlanke Hälse besassen. Gretsch hat seinen Hype erst durch Brian Setzer erlangt und blüht erst richtig auf, seit Gretsch zu Fender gehört. Zum Sound der 50er: Die Aufnahmegeräte waren in der Regel Bandgeräte mit Röhrentechnik. Viele Mikrofone der Zeit klangen flach, glasig und blechern. Auch zerrten einige schon bei leicht erhobener Stimme gräßlich an. Auch die Amps hatten Röhren. Die Lautsprecher waren noch Papptrichter ohne Schaumstoffrand und hatten handgewickelte Spulen um einfache Magneten und das Ganze mit wenig Hub, also recht geringem Schalldruck. Auch wusste man noch nicht viel über die optimale Resonanz-Konstruktion des Boxengehäuses. Die Drähte waren noch aus reinem Kupfer, meist nur mit Gewebe isoliert. Die Gitarrenpickups waren meist handgewickelt und die Polschrauben aus purem Eisen. All das wirkte sich massgeblich auf den Klang aus. Unsere moderne Hi-Tech und Hi-Fidelity (damit ist die höchstmögliche originalgetreue Klangwiedergabe gemeint) sind eigentlich absolut ungeeignet für den Original-Sound der 50er. Die Spieltechnik des Musikers macht aber, wie jeder richtig sagt, das Meiste aus. Weniger ist meist mehr. Je komplizierter ich meine Licks spiele, desto weiter entferne ich mich vom echten 50er Sound. Was nutzen die tollsten Techniken, wenn der Song dadurch zu lebhaft wird? Mein Vater, auch mein Musiklehrer, beide kommen aus der Klassik, haben immer gesagt: authentischer Rock´n Roll ist zu schnell gespielter Blues, mehr nicht. Und im Rockabilly kommen noch Elemente des Country And Western dazu. Fertig ist der Sound. Es ist letztlich egal, welche Gitarre, welche Saiten und welchen Verstärker man dazu nutzt, solange ein bisschen Hall und ein kurzes prägnantes Slapback (oder auch Delay oder Echo genannt) dabei und das ganze so clean wie möglich gespielt ist. Zum Schluss noch dies: Kontrabässe kamen aufgrund ihrer geringen Lautstärke im Kontext mit Schlagzeug und elektrischer Gitarre größtenteils nicht zum Einsatz. Es war damals problematisch, sie zu verstärken, ohne viel Feedback oder blechernen Klang zu erhalten. Der Fender Precision Bass, der Fender Jazzbass und Bässe von Gibson auf Basis der SG-Gitarre, aber auch Gretsch E-Bässe waren besser geeignet, mit dem Rest der Band mitzuhalten.
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Sehr geehrter Ronny Guittar
Vielen Dank für Deinen interessanten und fachlich fundierten Beitrag zur Ergänzung meines Artikels. Ich habe ihn natürlich aus meiner ganz persönlichen Sicht und subjektiven Klangvorstellungen verfasst. Daher ist mein persönlicher 50ies Klang sehr von Rockabillygitarristen wie Scotty Moore oder Cliff Gallup geprägt. Du hast natürlich Recht , dass bei Rock’n‘ Rollgitarristen superleichte Roundwounds angesagt waren, aber meine „heroes“ spielten geschliffene Saiten in größerer Stärke. Cliff Gallup verwendete meines Wissens heutige 11er flatwounds, Scotty Moore sogar noch stärkere. Mein Freund Al Cook , Wiens Rockabillypionier, hat auf seiner ES 295 einen 13er Satz. Das ist vielleicht auch damit erklärbar, dass sich diese Musiker auch auf Jazzer wie Charlie Christian oder Tiny Grimes bezogen, die dicke Jazzmamas mit flatwounds in „Männerstärke“ spielten. Franny Beechers früherer Arbeitgeber war z.B. Benny Goodman und auf seiner Gibson war, zumindest als ich das Vergnügen hatte mit den Original Comets auf einer Bühne zu stehen, ein Satz geschliffener 13er von D’Addario. Ein prägender Bestandteil von Rockabilly ist für mich deshalb der Bezug zum Jazz, der bis zu Brian Setzer und seinen Epigonen vorhanden ist.
Du hast auch Recht, dass Brian Setzer Gretschgitarren enorm populär gemacht hat, doch auch Chet Atkins hat lange vor Setzer diese Gitarren gefeatured. Man kann über das Aussehen dieser Gitarren natürlich geteilter Meinung sein, aber für mich klingen sie ordentlich besaitet, so wie ich mir einen Rockabillyklang der 50er auf einer Gitarre vorstelle. Das hat natürlich wenig mit dem Klang britischer Teddyboybands oder Neo-Rockabillyacts zu tun, aber die waren nie meine erste Wahl. Die frühen Aufnahmen von Elvis auf Sun sind auch nicht von übermäßigen Twang geprägt und gelten als Meilensteine des Rockabilly. Cliff Gallups sound habe ich auch nie als twangy empfunden, räume jedoch ein, dass Hörempfinden durchaus subjektiv geprägt ist.
Ich spiele altersbedingt seit den 60ern des vorigen Jahrtausends Gitarre und habe mich persönlich immer auf Gitarren mit „Baseballschlägerhälsen“ , starken Saitensätzen und höheren Saitenlagen sehr wohl gefühlt. Gretsches liebe ich auf Grund ihres Klanges und nicht wegen der Hälse dieser Gitarren.
Ich stimme Dir auch zu, dass die wirklichn großen Rockabillygitarristen immer gut geklungen hätten, egal mit welchem Instrument sie gespielt hätten, ich bezweifle allerdings, dass sie jemals eine Heavy Metalaxt mit 08er Besaitung angegriffen hätten, hätte es solche Instrumente damals bereits gegeben.
Der Kontrabass ist für mich unverzichtbarer Bestandteil einer authentisch klingenden Rockabillyband. Ich kann mir beim besten Willen nicht Bill Blacks Sun Aufnahmen mit Elvis mit einem Precisionbass vorstellen. Auch Gene Vincents Band hatte in den 50ern einen Kontrabassiten. Selbst im „Punkobilly“ von Johnny Burnette spielte Dorsey einen Kontrabass. Den so wichtigen „slap“, speziell wenn man in Triobesetzung spielt, kriegt man meiner Meinung und meines Hörempfindens nach nur mit einem Kontrabass authentisch hin. Viele Rock’n’Rollmusiker ,die oft mit authentischem Rockabilly nichts zu tun hatten,verwendeten natürlich lieber aus verschiedenen Gründen einen E-Bass, da war ja auch der slap kein essentieller Bestandteil der Musik.
Abgesehen davon stimme ich Deinen Ausführungen zum größten Teil zu und freue mich einen fachlich und sprachlich erstklassigen Kommentar auf meinen Artikel gelesen haben zu dürfen.
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