Wien ist anders

(Bild: YouTube)

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In letzter Zeit sehe ich mir öfters „Wien heute“ im ORF an. Neben zum Teil interessanten, zum Teil skurillen Berichten wird gegen Ende der Sendung eine junge oder nicht mehr so junge Nachwuchsband oder ein „Talent“ vorgestellt.

Nach längerem fast täglichen Konsum dieser Berichte, zweifle ich ernsthaft, dass jemals eine Band aus dem Bereich Rockabilly, Surf, etc… die Chance bekommt, sich dort präsentieren zu dürfen. Man hört diverse Talente die uns mit elfengesangsähnlicher Musik beglücken dürfen.

Korrekte Intonation oder Phrasierung scheinen überhaupt überbewertet zu sein. Aber verdammt nochmal: Wo bleibt der Groove? Da plätschert es  irgendwie dahin, verliert sich in leidgeplagtem Textgejammere und ist schlicht langweilig.

Während die Existenz von Elfen schon seit 1920 einwandfrei bewiesen ist (siehe Beweisfoto, www1.wdr.de) ist der tatsächliche Klang ihrer Musik in der Wissenschaft umstritten.

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Nun könnte man sagen (und tut es auch): Die alten Herren (und Damen) sind nicht entwicklungsfähig und hängen einer Musik an, die heute keiner mehr hören will.

Hängt der Musikkonsum nicht auch vom Angebot und der Präsenz in den Medien ab? Man kann vom durchschnittlichen Musikkonsumenten einfach nicht verlangen, dass er sich mit einer ihm völlig unbekannten Musikwelt selbstständig auseinandersetzt, Forschungsarbeit betreibt und eigenständig zu denken beginnt, um den Wert nichtkommerzieller Musik zu erkennen und genießen zu lernen. Und da denke ich nicht nur an Rockabilly. Blues, Jazz oder richtige Volksmusik (nicht das Schlagergedudel eines Silbereisen oder Gabalier) haben es da genauso schwer.

Ein wenig leichter hat es da klassische Musik. Da ist Österreich ja Vorzeigeland mit zahlreichen hochdotierten Events (z.B. Salzburg). Wer auf dem reichweitestärksten Radiosender Österreichs ausschließlich Popmusik anbietet, braucht sich nicht zu wundern wenn der tägliche Ö3- Hörer nichts anderes mehr kennt. Außerdem fördert es natürlich das Geschäft der Hersteller dieser Musik. Wie der großartige Roger Willemsen einst formulierte: “Die Herstellung von Popmusik hat einen einzigen Sinn: nämlich den, möglichst rasch wieder vergessen zu werden“. Nur so kann man Menschen bewegen, immer Neues konsumieren zu wollen.

Hält man an traditionellen Musik-Vorstellungen fest, gerät man rasch in den Verdacht, ein Reaktionär zu sein. Dabei wird aber vergessen, dass all das Neue, das so in den Mittelpunkt gestellt, wird auf dem Boden dieser traditionellen Musikformen entstanden ist. Bruno Kreisky meinte einst: “Lernen Sie Geschichte“ – und das bezieht sich nicht nur auf die Politik.

Wenn jedoch das Angebot an adäquater Musik fehlt, darf es nicht verwundern, wenn niemand (oder nur Wenige) diese „special interest“ Musik kennen und konsumieren.

Aber es geht auch anders. Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich das Vergnügen in Berlin einige Titel aufzunehmen und ein Konzert zu spielen.

Allein die Tatsache, dass es dort ein Studio wie Lightning Recorders gibt das ausschließlich von Rockabillymusikern betrieben wird machte mich sprachlos. Diese Leute nehmen ausschließlich mit originalen Geräten wie Bandecho oder Röhrenhall auf und wissen auch wie man damit arbeitet. Die Aufnahmebedingungen waren wie einst im legendären SUN Studio in Memphis, die gesamte Band direkt ins Mischpult, ohne overdubs. Das erfordert natürlich Vorbereitung und Konzentration der Musiker. Trotzdem waren viele Aufnahmen „first takes“ und den Rest hat man eben wiederholt, aber immer zusammen ohne overdub. Dass durch diese Arbeitsweise (und dem Stil der Band) ein sehr authentisches Ergebnis entsteht, liegt auf der Hand.

Auch der Umgang mit uns Musikern war gänzlich anders als in Wien gewohnt. Für Axel ( selbst ein großartiger Musiker und Mensch) war es selbstverständlich, dass ich bei Aufnahmen und Konzert auf seiner Tele und seinem Vintageequipment spielen durfte. Dafür nochmals herzlichen und ernstgemeinten Dank. So etwas ist man halt hierzulande nicht gewöhnt. Für die Berliner war es nach meiner Schilderung der Sachlage in Wien unverständlich, wie man Musikerkollegen nicht unterstützen kann. Dass das Konzert mit Ike& the Capers ein toller Abschluss dieses Projektes war, muss nicht extra erwähnt werden.

So etwas sollte doch auch in Wien möglich sein, dass statt Egotrips und Neiddebatten, eine Zusammenarbeit im Sinne unserer Musik einen Weg finden. Wenn wir von den Medien schon keine Unterstützung bekommen (ist in Deutschland übrigens nicht viel anders), sollten wir versuchen, es wie die Berliner Kollegen hinzukriegen.

(Fritz)

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